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von Hessenlöwe Frank » 23. Dez 2008, 11:19
Fußball: Insolvenz ist bei einer Etat-Unterdeckung von 1,1 Millionen Euro ohne Aussicht auf Einnahmen nur eine Frage der Zeit
SV Waldhof läutet das Sterbeglöcklein
Von unserem Redaktionsmitglied Ulrich Verthein
Mannheim. Das Glockengeläut, das in diesen Tagen vor Weihnachten beim traditionsreichen SV Waldhof Mannheim 07 zu vernehmen ist, hat mit dem nahenden Fest des Friedens wenig zu tun. Es ist das Sterbeglöcklein, das dem einst landauf, landab geschätzten Ex-Bundesligisten läutet. Die Lage ist fatal, der nur schwer zu schätzende Schuldenstand dürfte auf die vier Millionen Euro zugehen, bei einer aktuellen Unterdeckung von 1,1 Millionen im laufenden Etat. Wird der derzeit auf einem Treuhänderkonto gesperrte Darlehensrest von 300 000 Euro wieder freigegeben, so ist laut Berater Dirk Scharrer die Liquidität bis März/April gesichert, bleibt er gesperrt, gehen schon im Februar die Lichter aus.
Auf der Einnahmenseite winken ein paar dürftige Zuschauereinnahmen, es gibt lose Gespräche mit Interessenten an einer auszulagernden Kapitalgesellschaft, aber nichts Konkretes. Nach einer gestrigen, für die Außendarstellung des Vereins katastrophalen Pressekonferenz mit Präsident Mario Nöll und dem neu aktivierten Vizepräsidenten Volker Kürner dürften selbst mutige Investoren kalte Füße bekommen haben.
Scharrer rät zu Rücktritten
"Aufsichtsrat und Präsidium haben komplett versagt. Um einen Neuanfang zu ermöglichen, sollten sie komplett zurücktreten. Danach sollte ein vorläufiger Insolvenzverwalter herkommen, der vom Fach und von außerhalb Mannheims ist", sagte Scharrer nach der PK im Gespräch mit unserer Zeitung. Während Nöll in einem unstrukturierten Monolog versuchte, seine Positionen darzulegen, ging in den Redaktionen der hiesigen Medien eine Erklärung der beiden Präsidiumsmitglieder Gerhard Schall und Rainer Spagerer ein, die fern geblieben waren, weil sie der Präsident angeblich nicht eingeladen hatte. Beide erhoben erneut schwere Vorwürfe gegen Nöll und dessen Ausgabenpolitik, verwiesen auf ein weiteres kurzfristiges Darlehen von Dietmar Hopp für das Jugendzentrum (118 000 Euro für Fahrtkosten) und bekräftigten den Willen zur Zusammenarbeit mit Hopps Stiftung "Anpfiff ins Leben". "Die Mittel sind erschöpft, und wir wissen nicht, wie wir die für den Verein so überlebensnotwendige Jugendarbeit im nächsten Jahr finanzieren sollen."
Auf seinen einst von ihm gepriesenen Gönner Hopp, der außer den 3,5 Millionen Euro für das Jugendzentrum noch etwa 1,3 Millionen zur Verfügung gestellt hat, ist Nöll jedoch nicht mehr gut zu sprechen. Spätestens seit gestern dürfte es da auch keine Annäherung mehr geben. Nöll pocht darauf, dass Hopp ihm die "Komplettentschuldung" des SV Waldhof versprochen habe, wenn die Daimler AG sich bei der Stadionsanierung mit einem siebenstelligen Betrag beteilige. Notfalls will er dieses Versprechen, das er juristisch als Vertrag ansieht, einklagen. Wenn er dies tut, so würde er auch Mannheims Oberbürgermeister Kurz ("Ich habe diese Formulierung so nicht gehört") in den Zeugenstand berufen. Als Präsident des SVW, sei es seine "Pflicht, Herrn Hopp zu verklagen." Wenig später appelliert er an "Moral, Gewissen und Erinnerungsvermögen" des Mäzens, führt an, dass doch bald auch Weihnachten ist, nachdem er kurz zuvor Hopp just Moral noch abgesprochen hatte.
Von Hopps Vertretern in Sachen Jugendförderzentrum fühlt sich Nöll genötigt, einen Vertrag zu unterschreiben, der den SV Waldhof seiner Jugendarbeit beraube. Hartnäckig übergeht er, dass es ein Diskussionsentwurf ist. Anwalt Gröner, von dem der Entwurf stammt, versteht die Aufregung nicht und wartet auf eine Terminvereinbarung. "Man kann doch über alles reden." Doch genau da sieht Berater Scharrer die Crux. "In diesem Verein wird nur übereinander, nicht aber miteinander geredet."
Mannheimer Morgen
23. Dezember 2008