Verfasst: 5. Aug 2002, 11:29
Nachfolgenden Artikel hab ich grad gefunden...
GIESSENER ANZEIGER, 5. August 2002
Eine Stadt im Ausnahmezustand
SC Waldgirmes - KSV Hessen Kassel 1:3
WETZLAR. Eine Stadt im Ausnahmezustand. Ein Verein im Fußballfieber. Als sich am Samstagnachmittag, kurz vor halb zwei, eine rotgekleidete Hundertschaft von Kasselaner Fans ihren Weg durch die Innenstadt bahnte, wurde auch dem letzten Fußball-Muffel klar: Das sonst so beschauliche Wetzlar erlebt Außergewöhnliches. Geleitet von 90 Polizisten, mehreren Einsatzfahrzeugen und vielen staunenden Blicken gelangten die Fans ins Stadion an der Bachweide.
Dort empfing der SC Waldgirmes zum Oberliga-Auftakt den KSV Hessen Kassel. Und dort staunten die heimischen Zuschauer gut zwei Stunden später wieder. Denn mit minutenlangen La-Ola-Wellen und einer fast südländischen Begeisterung feierten die KSV-Fans ihre Lieblinge für den 3:1-Erfolg im Duell der Aufsteiger. Ein Duell, das fast 2500 Zuschauer anlockte. Ein Duell, das die Verantwortlichen des SC Waldgirmes zu einer organisatorischen Herkules-Aufgabe herausforderte, die diese mit Bravour meisterten.
Und nicht zuletzt auch ein Duell, das auf dem Spielfeld mit David gegen Goliath gewis treffender beschrieben ist. Während der SC mit Spielern aus dem weiteren heimischen Raum eine gewiss Oberliga taugliche Mannschaft auf die Beine gestellt hat, zählen die Neulinge aus Nordhessen wohl bereits jetzt mit zum Kreis der Titelanwärter. Nach dem finanziellen Aus vor einigen Jahren ist der Verein nun auf dem Durchmarsch zurück in den Profifußball.
Und an profitauglichen Akteuren hat die Mannschaft bereits in der Oberliga einige zu bieten. So lässt sich der 3:1-Erfolg der Mannen von Trainer Roggensack wohl schlicht und ergreifend als erwartungsgemäß abhaken. Weniger erwartungsgemäß lief jedoch die Anfangsphase. Denn da dominierte der Gastgeber das Spiel. SC-Trainer Ottmar Wagner nahm den eigentlich bärenstarken KSV-Spielmacher Andreas Mayer durch die ebenso bärenstarke Manndeckung von Kai Frenz fast völlig aus der Partie. Der Waldgirmeser Neuzugang Jens Dapper trieb auf der linken Seite einige vielversprechende Angriffe voran. Doch bereits in dieser Drangperiode zeichnete sich das Manko der Lahnauer ab: In der Spitze fehlte die Durchschlagkraft. Während Bernd Vollmer nicht hunderprozentig fit war und nach der Pause durch den ebenso glücklos agierenden Thorsten Krick ersetzt wurde, zeigte Ali Ülger doch starke Anpassungsprobleme an die höhere Liga. Folgerichtig fiel der Führungstreffer der Gastgeber auch nach einem Eckstoß. Und ebenso folgerichtig trat diesen der beste Waldgirmeser der Anfangsphase.
Den gut getimten Ball von Jens Dapper verlängerte Harald Gärtner per Kopf zum 1:0. Unter dem lautstarken Jubel der SC-Anhänger lag nun eine Überraschung im Bereich des Möglichen. Der KSV war beeindruckt. "In dieser Phase war ich überhaupt nicht zufrieden mit meiner Mannschaft," räumte später auch Trainer Roggensack ein: "Meine Spieler standen zu weit vom Mann weg, waren einfach zu lethargisch." Doch die Überraschung blieb nur eine vage Möglichkeit. Den SC-Angreifern fehlte Ballsicherheit und vor allem Schnelligkeit, um Gefahr zu verbreiten. Wiederum zwangsläufig kam die beste Chance auf ein 2:0 nach einer weiteren Ecke zustande, als der ungedeckte Christian Krieger den Ball volley nahm, aber haushoch übers Tor drosch. "Machen wir das 2:0, hat es Kassel schwer", trauerte Wagner dieser Möglichkeit nach. Doch vergeben, vertan und damit wohl auch verloren: Denn die Gäste fanden nach einer halben Stunde immer besser ins Spiel.
Dominierten das Mittelfeld eindeutig, verhinderten durch den grandiosen Abräumer Ghebramlak Gastgeber-Chancen nun bereits im Ansatz. Und beinahe zwangsläufig fiel der Ausgleich, der allerdings bei SC-Trainer Ottmar Wagner noch nach dem Schlusspfiff für Kopfschütteln sorgte. "Unnötig" sei das 1:1 von Marco Mason gewesen, der noch im Strafraum einen Doppelpass mit Thorsten Bauer spielen durfte und dann den Ball einspitzelte. In den zweiten 45 Minuten setzte sich das zumindest im Mittelfeld einseitige Spielchen fort. Der KSV drückte Waldgirmes immer weiter zurück, verstand es nun auch, den zuvor so starken Dapper gänzlich aus dem Spiel zu nehmen, beschäftigte SC-Schaltstation Harald Gärtner durch die Einwechslung der dritten Spitze Tommy Zanko nun ausschließlich mit Defensivarbeit und verdiente sich die Führung.
Eine Führung, zu der allerdings ein zeitlich vorgezogener Sonntagsschuss vonnöten war. Nach einem verzögerten Konter kam Nico Steffen am Strafraum-Eck an den Ball und schoss diesen fast genau in den Torwinkel zum 2:1. Nur noch einmal durfte der SC zumindest auf einen Punktgewinn hoffen: Doch Dappers Distanzschuss strich über den Winkel (67.). Dass KSV-Coach Roggensack trotzdem bis zum Schlusspfiff beunruhigt war ("Wir mussten bis zum Ende um den Sieg bangen"), hatte er seinem Spielmacher zu verdanken. Denn Andreas Mayer schlenzte in der 74. Minute einen von Patrick Weisert unglücklich verursachten Handelfmeter über den Torwinkel. Das Zittern der Gäste um den Sieg beendete dann aber doch noch Mayer. Er schloss eine phantastische Einzelleistung des brasilianischen Stürmers Julio Cesar in der Schlussminute zum 3:1 ab.
Während danach die Gästespieler im Jubel ihrer Fans badeten, bleibt den Waldgirmesern vor allem eines: die Erinnerung an ein großes Fußball-Fest, das eine ganze Stadt in sportlichen Ausnahmezustand versetzt hat.
GIESSENER ANZEIGER, 5. August 2002
Eine Stadt im Ausnahmezustand
SC Waldgirmes - KSV Hessen Kassel 1:3
WETZLAR. Eine Stadt im Ausnahmezustand. Ein Verein im Fußballfieber. Als sich am Samstagnachmittag, kurz vor halb zwei, eine rotgekleidete Hundertschaft von Kasselaner Fans ihren Weg durch die Innenstadt bahnte, wurde auch dem letzten Fußball-Muffel klar: Das sonst so beschauliche Wetzlar erlebt Außergewöhnliches. Geleitet von 90 Polizisten, mehreren Einsatzfahrzeugen und vielen staunenden Blicken gelangten die Fans ins Stadion an der Bachweide.
Dort empfing der SC Waldgirmes zum Oberliga-Auftakt den KSV Hessen Kassel. Und dort staunten die heimischen Zuschauer gut zwei Stunden später wieder. Denn mit minutenlangen La-Ola-Wellen und einer fast südländischen Begeisterung feierten die KSV-Fans ihre Lieblinge für den 3:1-Erfolg im Duell der Aufsteiger. Ein Duell, das fast 2500 Zuschauer anlockte. Ein Duell, das die Verantwortlichen des SC Waldgirmes zu einer organisatorischen Herkules-Aufgabe herausforderte, die diese mit Bravour meisterten.
Und nicht zuletzt auch ein Duell, das auf dem Spielfeld mit David gegen Goliath gewis treffender beschrieben ist. Während der SC mit Spielern aus dem weiteren heimischen Raum eine gewiss Oberliga taugliche Mannschaft auf die Beine gestellt hat, zählen die Neulinge aus Nordhessen wohl bereits jetzt mit zum Kreis der Titelanwärter. Nach dem finanziellen Aus vor einigen Jahren ist der Verein nun auf dem Durchmarsch zurück in den Profifußball.
Und an profitauglichen Akteuren hat die Mannschaft bereits in der Oberliga einige zu bieten. So lässt sich der 3:1-Erfolg der Mannen von Trainer Roggensack wohl schlicht und ergreifend als erwartungsgemäß abhaken. Weniger erwartungsgemäß lief jedoch die Anfangsphase. Denn da dominierte der Gastgeber das Spiel. SC-Trainer Ottmar Wagner nahm den eigentlich bärenstarken KSV-Spielmacher Andreas Mayer durch die ebenso bärenstarke Manndeckung von Kai Frenz fast völlig aus der Partie. Der Waldgirmeser Neuzugang Jens Dapper trieb auf der linken Seite einige vielversprechende Angriffe voran. Doch bereits in dieser Drangperiode zeichnete sich das Manko der Lahnauer ab: In der Spitze fehlte die Durchschlagkraft. Während Bernd Vollmer nicht hunderprozentig fit war und nach der Pause durch den ebenso glücklos agierenden Thorsten Krick ersetzt wurde, zeigte Ali Ülger doch starke Anpassungsprobleme an die höhere Liga. Folgerichtig fiel der Führungstreffer der Gastgeber auch nach einem Eckstoß. Und ebenso folgerichtig trat diesen der beste Waldgirmeser der Anfangsphase.
Den gut getimten Ball von Jens Dapper verlängerte Harald Gärtner per Kopf zum 1:0. Unter dem lautstarken Jubel der SC-Anhänger lag nun eine Überraschung im Bereich des Möglichen. Der KSV war beeindruckt. "In dieser Phase war ich überhaupt nicht zufrieden mit meiner Mannschaft," räumte später auch Trainer Roggensack ein: "Meine Spieler standen zu weit vom Mann weg, waren einfach zu lethargisch." Doch die Überraschung blieb nur eine vage Möglichkeit. Den SC-Angreifern fehlte Ballsicherheit und vor allem Schnelligkeit, um Gefahr zu verbreiten. Wiederum zwangsläufig kam die beste Chance auf ein 2:0 nach einer weiteren Ecke zustande, als der ungedeckte Christian Krieger den Ball volley nahm, aber haushoch übers Tor drosch. "Machen wir das 2:0, hat es Kassel schwer", trauerte Wagner dieser Möglichkeit nach. Doch vergeben, vertan und damit wohl auch verloren: Denn die Gäste fanden nach einer halben Stunde immer besser ins Spiel.
Dominierten das Mittelfeld eindeutig, verhinderten durch den grandiosen Abräumer Ghebramlak Gastgeber-Chancen nun bereits im Ansatz. Und beinahe zwangsläufig fiel der Ausgleich, der allerdings bei SC-Trainer Ottmar Wagner noch nach dem Schlusspfiff für Kopfschütteln sorgte. "Unnötig" sei das 1:1 von Marco Mason gewesen, der noch im Strafraum einen Doppelpass mit Thorsten Bauer spielen durfte und dann den Ball einspitzelte. In den zweiten 45 Minuten setzte sich das zumindest im Mittelfeld einseitige Spielchen fort. Der KSV drückte Waldgirmes immer weiter zurück, verstand es nun auch, den zuvor so starken Dapper gänzlich aus dem Spiel zu nehmen, beschäftigte SC-Schaltstation Harald Gärtner durch die Einwechslung der dritten Spitze Tommy Zanko nun ausschließlich mit Defensivarbeit und verdiente sich die Führung.
Eine Führung, zu der allerdings ein zeitlich vorgezogener Sonntagsschuss vonnöten war. Nach einem verzögerten Konter kam Nico Steffen am Strafraum-Eck an den Ball und schoss diesen fast genau in den Torwinkel zum 2:1. Nur noch einmal durfte der SC zumindest auf einen Punktgewinn hoffen: Doch Dappers Distanzschuss strich über den Winkel (67.). Dass KSV-Coach Roggensack trotzdem bis zum Schlusspfiff beunruhigt war ("Wir mussten bis zum Ende um den Sieg bangen"), hatte er seinem Spielmacher zu verdanken. Denn Andreas Mayer schlenzte in der 74. Minute einen von Patrick Weisert unglücklich verursachten Handelfmeter über den Torwinkel. Das Zittern der Gäste um den Sieg beendete dann aber doch noch Mayer. Er schloss eine phantastische Einzelleistung des brasilianischen Stürmers Julio Cesar in der Schlussminute zum 3:1 ab.
Während danach die Gästespieler im Jubel ihrer Fans badeten, bleibt den Waldgirmesern vor allem eines: die Erinnerung an ein großes Fußball-Fest, das eine ganze Stadt in sportlichen Ausnahmezustand versetzt hat.