Verfasst: 21. Feb 2007, 01:53
Am letzten Sonntag hat es Wehen tatsächlich schon in die überregionale (baden-württembergische) Presse geschafft - allerdings ist es mehr oder weniger die Familiengeschichte Hankammer ...
In der Regionalliga Süd führt souverän der SV Wehen, eine Mannschaft, die kaum einer kennt - aber das soll sich ändern
Graue Maus mit scharfen Zähnen
Taunusstein. Kommenden Freitag startet die Regionalliga Süd in das Jahr 2007. Sonntag Aktuell hat sich auf Spurensuche in die Provinz aufgemacht - zum Tabellenführer.
Es ist nur ein kleines Sträßchen, das zum SV Wehen führt. Aus der Ortsmitte kommend geht es nach links, immer den Berg hinauf. Erst Wohnhäuser, dann Wiesen, Äcker und eine Pferdekoppel. Das Sträßchen bald nur noch ein asphaltierter Feldweg. Dann zwei scharfe Kurven, und da liegt er: ein Sportplatz mit zwei Mini-Sitztribünen, an der Gegengeraden ein paar Stehränge, hinter dem einen Tor ein Kunstrasenplatz, hinter dem anderen das Vereinsheim - und dahinter der Wald. Das Stadion Am Halberg, 5000 Plätze.
Willkommen in der Provinz, willkommen beim Sportverein Wehen 1926 Taunusstein.
„Als ich das erste Mal nach Wehen kam, habe ich mich gefragt: Wo bin ich denn hier gelandet?", erzählt Manuel Hartmann. „Das war wie früher in der Jugend, wenn man irgendwo auf dem Land spielte." Wie dem Spieler der Stuttgarter Kickers geht es auch anderen in der Fußball-Regionalliga Süd, wenn sie in dem 6709 Einwohner großen Ortsteil von Taunusstein nördlich von Wiesbaden antreten.
Doch was wie der Platz eines Bezirksligis-ten aussieht, ist die Heimstätte der stärksten Elf der Regionalliga: Souveräner Tabellenführer vor dem Topfavoriten TSG Hoffenheim, seit 14 Spielen ungeschlagen, elf Punkte Vorsprung auf die Nichtaufstiegsplätze. Am Freitag endet mit dem Spiel der Hessen beim l. FC Kaiserslautern II die Winterpause. Und kaum jemand glaubt, dass die Mannschaft des jungen Trainers Christian Hock (36), der im benachbarten Mainz lange mit dem heutigen FSV-Coach Jürgen Klopp zusammenspielte, ihr Ziel noch verpassen könnte: nach zwei dritten Plätzen in den Vorjahren der erste Zweitliga-Aufstieg in der Vereinsgeschichte. Zu verdanken hat das der Klub vor allem Heinz Hankammer, der 1966 den Wasserfil-ter-Hersteller Brita gründete. „Als ich nach der Pleite meiner vorherigen Firma ganz tief im Dreck gesteckt habe", sagt der 75-Jährige. Heute ist Brita mit 700 Mitarbeitern Weltmarktführer für Haushalts-Wasserfilter - und Hankammer seit 25 Jahren Präsident des SV Wehen, der bei seinem Einstieg noch in der A-Klasse kickte. Jährlich eine Million Euro stecke er in den Taunusklub, bei dem einst auch der Regisseur des VfB Stuttgart, Antonio da Silva, spielte. Bisher also gut 25 Millionen.
Doch immer noch erscheint der Dorrverein als graue Maus. Kein Name, kaum Zuschauer - nur 1069 im Schnitt pro Heimspiel. Die Spielweise: zweckorientiert mit einer sicheren Defensive. Stark, aber nichts für Ästheten. Die Spieler? Nur mäßig bekannt. Typisch sind die - zurzeit verletzten - Torge Hollmann (Abwehr) und Sascha Amstätter (Mittelfeld). Bei größeren Klubs konnten sie sich nicht durchsetzen, hier sind sie wichtige Stützen. Dass sie in Wehen mit Geld um sich werfen, weißt der Manager Bruno Hübner aber von sich: 1,8 Millionen Euro klein sei der Etat. „Wir haben sehr leistungsbezogene Verträge." In Liga zwei sollen es bescheidene 6,8 Millionen sein. Dorfverein? Graue Maus? „Wir sind jetzt dran, davon wegzukommen", sagt Hübner. Die Lösung lautet: Umzug.
Wiesbaden, Berliner Straße: marode Heimspielstätte des SV Wiesbaden, Landesliga Hessen. Eine kleine, uralte Haupttribüne, in den Kurven Stehränge aus Sand. Altbacken, doch ein Gelände, das vielleicht Zukunft haben wird. Denn direkt daneben will der SV Wehen künftig spielen. Das Projekt: ein provisorisches Stadion mit gemieteten Stahlrohrtribünen für 16 000 Zuschauer. Die Kosten für drei Jahre bis 2010:
3,8 Millionen, übernommen von Brita und Hankammer. Danach soll eine reguläre Arena mit 18 000 und später 35 000 Plätzen gebaut werden. Entweder hier oder woanders in Wiesbaden. Der Verein wird deshalb einen neuen Namen erhalten. „SV Waldhof Mannheim, SV Werder Bremen, SV Wiesbaden-Wehen", steht auf einem großen Blatt im Büro von Heinz Hankammer. „Köln fährt in die Landeshauptstadt und nicht auf den Halberg. Dann ist das Thema graue Maus erledigt", sagt Hübner (47), der 18 Jahre Vertriebsleiter bei Brita war. Es soll nicht der letzte Schritt sein. Denn Hankammer „hätte kein Problem damit, in der Bundesliga zu spielen".
Der Präsident weiß, dass er nicht mehr der Jüngste ist. Seinem Verein soll das aber nicht schaden. Brita und sein Sohn Markus, der heute die Firma leitet, „werden ihn weiter finanziell unterstützen, wenn ich mal nicht mehr bin. Das haben wir so festgelegt."